Die letzten Akkorde des Beatles-Songs „Hey Jude“ verklingen, als ich mir den Mund ausspüle und die Zahnbürste in den Becher stelle.
Ich bin noch nicht einmal im Bett, aber bei der Vorstellung, dass morgen früh um sechs der Wecker klingeln wird, muss ich jetzt schon gähnen.
Leise die Melodie mitsummend gehe ich ins Wohnzimmer und schalte den CD-Spieler aus. Ich lösche alle Lichter und tappe barfuß im Dunkeln in mein Schlafzimmer, wo ich mir natürlich den großen Zeh am Bettpfosten stoße. Mit einem unwirschen Grummeln lasse ich mich auf die Matratze fallen und werfe dem Wecker einen bösen Blick zu, dessen Leuchtziffern mir verraten, dass meine Nacht in weniger als sechs Stunden zu Ende sein wird. Kurz überlege ich, ob es bei der Arbeit auffallen wird, wenn ich einfach nicht erscheine. Dann ergebe ich mich meinem Schicksal, wickle mich in meine Decke und schließe die Augen.
Don’t carry the world upon your shoulders. Wenn es doch nur so einfach wäre.
Es ist zwei Uhr nachts, als ich sie das nächste Mal öffne. Ich liege auf dem Rücken, starre in die Dunkelheit und versuche, herauszufinden, was mich geweckt hat.
Als ich die bekannten Klaviertöne vernehme, setze ich mich im Bett auf und runzle die Stirn. Hatte ich den CD-Spieler doch nicht ausgeschaltet? Ich bin mir plötzlich nicht mehr sicher.
Seufzend steige ich aus dem Bett und schlurfe ins Wohnzimmer. So sehr ich die Beatles liebe, aber spätestens mit Einsetzen des Chores würde ich mitsingen, anstatt zu schlafen. Ich schaffe es unfallfrei durch den Raum und meine Finger finden auch im Dunkeln die Aus-Taste. Oder die Pause-Taste. Welche es auch immer ist, es ist wieder ruhig und ich kann mich endlich wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
Die Leuchtziffern des Weckers scheinen mich zu verhöhnen und ich ziehe mir die Decke über den Kopf, um die Außenwelt auszuschließen.
Na na na nananana, nannana, hey Jude ...
Mein Blick zuckt zur Uhr. Drei Uhr fünfundzwanzig. Auch wenn es sich nicht so angefühlt hat, muss ich doch wieder eingenickt sein.
Verdammter Wackelkontakt! Eine Menge Selbstmitleid begleitet mich auf meinem Weg ins Wohnzimmer, wo ich mit einer ruckartigen Bewegung den Stecker des CD-Players ziehe.
„Don’t let me down“, schimpfe ich ihn an und will zum wiederholten Male in dieser Nacht ins Bett gehen. Es bleibt vorerst bei dem Versuch.
Ich habe nach wie vor das Licht nicht angeschaltet und so pralle ich mit der Nase gegen die geschlossene Schlafzimmertür. Der Montag hat noch nicht einmal richtig angefangen und ich hasse ihn jetzt schon.
Drei Uhr dreißig. Ich reibe mir die schmerzende Nase und ziehe dann die Decke bis zum Kinn hoch. Noch zweieinhalb Stunden. Die ich friedlich und in Stille verbringen werde. Mit einem herzhaften Gähnen drehe ich mich auf die Seite und schließe die Augen.
Hey Jude, don’t make it bad.
Dieses Mal nicht aus dem Nachbarzimmer. Diesen Klang kenne ich. Es ist das blecherne Scheppern eines Lautsprechers. Genauer gesagt, des Lautsprechers, der in meinem Handy verbaut ist.
Das zu diesem Zeitpunkt in der Küche liegen müsste. Das Geräusch kommt allerdings nicht aus der Küche, sondern von unter meinem Bett.
Ich setze mich ruckartig auf und das Lied verstummt. Mit angehaltenem Atem lausche ich in die Dunkelheit ... und höre leise Atemgeräusche direkt unter mir.
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